Insolvenzrecht. Kommt jetzt die eigentliche Welle?

Von Frühjahr 2020 bis 30. April 2021 wurde das normale Insolvenzrecht ausgesetzt.
Damit fühlten sich viele Unternehmer in Sicherheit. Wie ich in einem Interview im Radio vor einigen Wochen bereits hörte, waren dabei aber Unternehmen, die mangels Masse eigentlich schon am Ende waren, auf dem Holzweg.
Der Radiogast stellte heraus, dass es bei wieder Einsetzung des regulären Insolvenzrechts für diese Unternehmer sehr schmerzhaft werden könnte, wenn sie wegen Insolvenzverschleppung alles verlieren. Denn scheinbar ist es so: wer schuldhaft eine Insolvenz verschleppt und damit den Schaden verschlimmert, kann z.B. dann, wenn keine Masse für die Begleichung der Schulden mehr vorhanden ist, offenbar sogar mit Geldstrafe oder Freiheitsentzug bestraft werden.

Nun ist das Insovenzrecht seit 1.5. wieder in Kraft. Und es wird wahrscheinlich dramatisch.
In einem Beitrag des Focus heisst es:

Der Antrag auf Insolvenz muss für den Fall der Überschuldung in einem Zeitraum von höchstens sechs Wochen gestellt werden. Bei akuter Zahlungsunfähigkeit sind es drei Wochen. Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. In diesem Fall werden die Überlebenschancen des Unternehmens geprüft. Bei einer positiven Prognose liegt keine Überschuldung vor. Ansonsten müssen Vermögen und Schulden gezählt werden.

Sind mehr als 90 Prozent der Verbindlichkeiten durch liquide Mittel gedeckt oder werden innerhalb der nächsten drei Wochen gedeckt sein, liegt ebenfalls keine Zahlungsunfähigkeit vor, sondern eine Zahlungsstockung. Insolvenzantragspflicht besteht nur bei absehbarer Zahlungsunfähigkeit. Geschäftsführer haften allerdings persönlich, wenn sie nicht rechtzeitig Insolvenz anmelden. „Insolvenzverschleppung“ ist eine Straftat, entsprechend vorsichtig müssen Manager agieren.

Die ganzen Fördermittel, die die Unternehmen bekommen konnten, verschleierten scheinbar oftmals den Blick auf die wirkliche Lage. Wer vor der Pandemie und den Lockdowns schon schlecht da stand, der wird seine Lage in der Zwischenzeit nur in den seltensten Fällen verbessert haben.

Der Rubikon sieht auch , dass viele kleine und mittelständische Unternehmen nicht wieder auf machen werden.
Dort werden auch die Mechanismen dahinter beleuchtet, und ein düsterer Ausblick gezeichnet.
Hier ein Auszug:
Ich empfehle den ganzen Artikel zur Lektüre unter https://www.rubikon.news/artikel/der-untergang-des-mittelstands

Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die deutlich unterschiedliche Entwicklung zwischen Mittelständlern und Großkonzernen. Während das Geschäftsklima im Mittelstand von 2018 bis zu den Lockdowns im März 2020 erheblich besser war als das der Großunternehmen, ist es durch die Lockdowns genau umgedreht worden. Seit etwa Sommer 2020 ist die Wirtschaftslage der Konzerne erheblich besser als die der Mittelständler, geschweige denn als die der Kleinunternehmen und Selbständigen

Viele Großunternehmen und vor allem ihre Eigentümer haben im Gegensatz zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen durch die Lockdownkrise sogar in großem Umfang profitiert.

Ein Blick auf die führenden Aktienindizes der Weltbörsen zeigt, in welchem Umfang die großen Konzerne und ihre Eigentümer an Wert gewonnen haben:
Von 18. März 2020 bis 12. April 2021 erhöhte sich das Nettovermögen der US-amerikanischen Milliardäre um 1.616 Milliarden Dollar oder 55 Prozent.
Gegenüber Februar 2020, vor den Lockdowns stieg das das Milliardärsvermögen in den 14 Monaten bis April 2021 um 1.360 Milliarden Dollar oder 42,5 Prozent

[..]

Kurz: Gerade durch den Niedergang der kleinen Konkurrenten steigen die Gewinne der Überlebenden besonders stark. Das gilt im Großen — Stichwort amazon steigt auf, weil der stationäre Einzelhandel zugrunde geht —, wie auch im Kleinen. Am 4. Mai 2021 lautete eine Überschrift in der konservativen Welt.de: „Corona-Folgen: Hotels stehen vor dem Ruin — und die großen Aufkäufer warten schon“ . Das klingt nach einem guten Deal für die Aufkäufer.

Was kommt? Ein Blick auf die ökonomischen Anreize

Kommt eine Pleitewelle? In welchem Umfang werden die Insolvenzen nachgeholt? Werden durch die verschleppten Zahlungsausfälle viele weitere Unternehmen mit bergab gerissen? Bleibt eine große Zahl von Selbständigen, kleinen und mittelständischen Unternehmen auf der Strecke? Dazu kommt: Wie, wann und in welchem Umfang werden die in den letzten Monaten und Jahren angehäuften Schulden- und Geldberge auf ein tragbares Ausmaß reduziert werden (10)?
Um darauf eine Antwort zu finden, kann man nach den ökonomischen Anreizen der beteiligten Player fragen. Aus Sicht von Multimilliardären, Konzernen und großen Hedgefonds mit sehr hohen Finanzpolstern ist ein milder und möglichst sozialverträglicher Verlauf einer Bereinigungskrise weniger günstig als ein schlimmer. Je schlimmer Absturz, Pleiten, Arbeitslosigkeit und Elend, desto besser für die großen Player. Ich habe mit Blick auf die Anreizstrukturen bei einigen, auch politisch sehr einflussreichen Akteuren die Sorge, dass die kommende Schulden- und Geldbereinigungskrise nicht wirklich glimpflich ablaufen könnte.

Refenzen:

Focus Artikel:
https://www.focus.de/finanzen/boerse/konjunktur/insolvenzen-werden-sichtbar-pleitewelle-kommt-auf-deutschland-zu_id_13308717.html

Rubikon Artikel:
https://www.rubikon.news/artikel/der-untergang-des-mittelstands

Welt.de Artikel:
https://www.welt.de/wirtschaft/plus230829125/Dorint-Centro-Co-Deutschlands-Hotels-stehen-vor-dem-Ausverkauf.html